Lebensmittelverschwendung: Essen für die Tonne

Lebensmittelverschwendung ist in unseren Ländern und Industriestaaten ein erstaunliches Phänomen. Wir sind doch ein ach so entwickeltes Grüppchen, wir müssten es doch besser wissen…

Dennoch: Große Teile der zur menschlichen Ernährung hergestellen Lebens- und Nahrungsmittel werden vernichtet, da sie nicht in die Norm passen, das Mindesthaltbarkeitsdatum näher rückt oder auch nur, weil das Etikett schief sitzt…

Es gibt verschiedene, gelegentlich berechtigte Gründe für das Entsorgen von Lebensmitteln. Aber oft ist das einfach nur eine fehlende Wertschätzung für das Produkt.

Wo werden Lebensmittel zerstört?

Um das Problem mit der Lebensmittelverschwendung nachvollziehbar zu machen, gehe ich im Folgenden die Wertschöpfungskette von Lebensmitteln durch. Dabei beziehe ich mich auf Definitionen und Zahlen aus der Studie Das große Wegschmeißen von WWF.

Ernteverluste

Das Problem der Lebensmittelverschwendung beginnt am Feld.

” Sie decken im pflanzlichen Bereich alle Verluste ab, die durch mechanische Zerstörung oder Verschüttung zustande kommen, aber auch pflanzliche Ware, die direkt nach – d.h. nicht vor – der Ernte aufgrund von Schäden oder Makeln gleich welcher Art (z.B. Farbe, Form, Größe) aussortiert wird (Gustavsson et al., 2011). Im tierischen Bereich betreffen diese Verluste das Agrargut, welches bei der Übergabe an den Abnehmer verschüttet (Milch) oder zerbrochen (Eier) wird oder bei der Verladung von Schlachttieren aus den Stallungen in Transporter zur Schlachtung verstirbt oder anderweitig verloren geht.”

WWF, S. 27

Beispiel: In Deutschland betragen die Ernteverluste beim Roden von Kartoffeln etwa 3% der tatsächlich gewachsenen Menge.

Und was mit “anderweitig verloren” im tierischen Bereich gemeint ist, will ich mir garnicht vorstellen…

Nachernteverluste

“Als Nachernteverluste werden (…) solche Einbußen an Nahrungsmitteln bzw. an Rohstoffen für deren Herstellung definiert, die zum einen bei pflanzlichen Produkten während der Erstbehandlung des bereits abgeernteten Gutes, dessen Transport und Lagerung infolge von Schüttverlusten und Degeneration entstehen. Bei tierischen Produkten zum anderen beziehen sich diese Verluste auf Todesfälle während des Transports der Tiere zum Schlachthof bzw. Verwerfung des Tiermaterials im Schlachthof vor der eigentlichen Weiterverarbeitung; bei Eiern und Milch kommen Verderb und anderweitiger Verlust während des Transports zur abnehmenden Hand hinzu.”
WWF, S. 29

Beim Transport von Hühnern zum Schlachthof belaufen sich die Tierverluste auf etwa 3 %, bei größeren Tieren wie Schweinen sind es weniger als 1% (WWF, S. 29).

Im pflanzlichen Bereich gibt es Verluste, die technisch bedingt sind. Zudem spielen Reinigung, Trocknung, biochemische Prozesse (z.B. Schädlings- oder Krankheitsbefall) und dir Lagerung eine Rolle. Bleiben wir bei unserer Kartoffel: In Deutschland kommen alleine durch die natürliche Keimung der Kartoffel weitere 5% Verlust hinzu (WWF, S. 29).

Prozessverluste

“(D)iese Kategorie (deckt) alle Verluste ab, die während der industriellen oder häuslichen Weiterverarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten zu Ernährungszwecken auftreten, etwa wenn Säfte und Konserven hergestellt werden, Mehle gemahlen, Brot gebacken oder Tiere geschlachtet bzw. zu Wurstwaren verarbeitet werden. Einbußen treten dabei durch die Aussortierung von nicht für die jeweiligen technologischen Prozesse geeignetem Material auf, bei Wasch-, Schnitt- und Kochprozessen oder im Verlauf von Störungen des Produktionsprozesses, z.B. bei mechanischen Ausfällen oder Verschmutzungen von Produktionsanlagen.”

WWF, S. 31

Du willst jetzt natürlich wissen, wie es um unsere deutsche Kartoffel steht, stimmt’s? 15% der Ausgangsware gehen kaputt in der Weiterverarbeitung von Hackfrüchten, wie Kartoffeln und Zuckerrüben.
Bei Fleisch sind es 5% der Ausgangsware.

Verteilungsverluste

“Verteilungsverluste (werden) als Einbußen an Nahrungsmitteln im Rahmen der Vermarktung definiert. Das geschieht zuvorderst auf der Groß- und Einzelhandelsebene.”
WWF, S. 34

Von der Ausgangsware, die ins europäische Vermarktungssystem kommt, sind es bei unserer Kartoffel und den daraus hergestellten vermarktungsfähigen Waren hier 7%, die vernichtet werden. In Deutschland kann die Zahl der Verteilungsverluste etwas niedriger sein, da wir hier kurze
Dispositionsrhythmen, kleine Bestelleinheiten und Sicherheitsbestände sowie vermehrt regionale Beschaffungssysteme mit tendenziell kürzeren Lieferwegen haben. Damit zeigt sich auch schon, dass diese Punkte wichtig sind, um weniger Lebensmittelverschwendung zu haben.

Konsumverluste

Und das Krasseste ist: Jetzt erst kommen wir ins Spiel!

“Konsumverluste stellen alle Verluste dar, die beim finalen Konsumenten anfallen. Das können Haushalte, aber auch institutionelle Einrichtungen, wie Großkantinen und Restaurants, sein.”
WWF, S. 37

Bei diesen durch uns in Alltag verschuldeten Konsumverlusten handelt es sich um Lebensmittel, die zum Verzehr geeignet wären. Aber sie landen in der Tonne, weil die Einkaufsplanung mangelhaft ist, wir die Lebensmittel nicht richtig lagern, Mindesthaltbarkeitsangaben oft falsch verstanden werden und weil Essensreste in Gastronomie und Haushalten nicht wiederverwendet werden (können).

Hier liegt es also an uns, ob wir 100 oder 0% unserer eingekauften Kartoffel wegwerfen.

5 Gedanken zu „Lebensmittelverschwendung: Essen für die Tonne

  1. turboscholz sagt:

    Hi Aline! Danke für den interessanten Artikel. Es ist gut zu wissen, wo überall Lebensmittel weggeschmissen bzw. zerstört werden. Bei den oben beschriebenen kann der Verbraucher leider nur wenig tun. Was mir allerderings auffällt, das du nicht auf die Verluste durch die Industrie bei nicht verbrauchten Waren eingegangen bist. Viele kennen das ja und auch ich bin immer wieder darüber schockiert, wie voll auch abends noch die Auslagen der Bäcker oder auch der Fisch-Theken sind. Wenn man sehr spät einkaufen geht, kann man regelmäßig beobachten, wie dann Unmengen von Backwaren in Kisten gepackt werden. Man kann sich hier ziemlich sicher sein, dass eine Menge von diesen direkt im Müll landet… :-/ Ist diese Art von Verlusten so gering, dass sie doch nur eine kleine Menge ausmachen, an den Gesamt-Verlusten der Lebensmittel?

    Zum Thema “Prozessverlusten” mit der Kartoffel oben ist mir eingefallen, dass einige Mitglieder meiner Familie vor nicht allzulanger Zeit noch “Kartoffeln gestoppelt” haben. D.h., die nach der maschinellen Ernte auf dem Feld liegen gebliebenen Kartoffeln wurden aufgelesen und mit nach Hause genommen. Ist wohl so eine Art Grauzone, was die Legalität angeht, aber am Ende immernoch besser, als wenn die Kartoffeln verkommen. Heute wohne ich in der Stadt und kriege gar nicht mehr mit, wann hier in der Gegend die Ernte auf den Feldern abläuft. Von daher… 😉

    • aufdiehand sagt:

      Grüß dich!
      Was du ansprichst fällt unter für Verteilungsverluste. Größtenteils fallen die weggeworfenen Lebensmittel beim Groß- und Einzelhandel an aber freilich auch bei kleinen Bäckern und Läden. Toll helfen bei einigen Läden und Theken kann da die App “to good to go”. Sollte dir bei einem deiner besuchten Laden auffallen, dass so spät noch einiges in der Auslage liegt, was wohl im Müll landet, zeige ihnen diese App und/oder schicke ich de*m*r Filialleiter*in per Mail. Speech die Thekenbetreiber*innen konkret Und das Problem an. So wird sich hoffentlich individuell immer mehr ändern! 😍

    • aufdiehand sagt:

      Das Kartoffel klauben (dt: aufheben), wie es hier in Bayern heißt, kenne ich auch. Manche Bauern rufen sogar dazu auf. Die veröffentlichten den Erntetermin oder geben den am Markt an Kunden weiter und laden extra zum Kartoffel klauben auf. Finde ich super!

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